Die fast 12jährige Anna Carolina Wolpers aus Triangel gehört zu den besten Nachwuchsturnerinnen Deutschlands. Was in vielen Sportarten mit Talent und regelmäßigem Training im heimischen Verein möglich ist, wird im Gerätturnen zu einer Aufopferung für den Sport bereits in jungen Jahren.
Als 7jährige gewinnt Anna den Kreistitel für den heimischen TuS Neudorf-Platendorf. Dann geht alles ziemlich schnell: Erst rät Trainerin Heike Müller zu einem Wechsel nach Vordorf, hier werden junge Talente für die höchste Leistungsklasse trainiert. Vordorferin Kim Ellmerich sieht, dass in der kleinen Anna noch mehr Talent schlummert, schickt sie kurzerhand zur Talentsichtung ins Landesleistungszentrum Hannover Badenstedt. Und zum Ende 2015 hat sich dann das Leben der Familie Wolpers einmal auf den Kopf gestellt, denn Anna trainiert nun viermal die Woche in Hannover. Von Triangel eine logistische Herausforderung um Schule, Beruf und Familienleben unter einen Hut zu bringen. „Anna musste damals so viel aufholen, weil die Gleichaltrigen schon viel mehr konnten,“ gesteht Bianca Brandt-Wolpers ihre Zweifel.
Mittlerweile geht Anna auf das Humboldt-Gymnasium in Gifhorn und trainiert sechsmal die Woche im Leistungszentrum Hannover. Das sind 22 Stunden reine Trainingszeit pro Woche. Hausaufgaben werden gleich in der Schule erledigt, Mittag- und Abendessen gibt es im Auto. „Wir sind perfekt durchstrukturiert,“ berichtet Bianca Brandt-Wolpers über den Alltag, „und auch Annas jüngerer Bruder kommt nicht zu kurz.“
Kurz vor ihrem 12. Geburtstag ist Anna gerade mal 1,32m klein, aber ihr Selbstbewusstsein wächst langsam, muss es auch. In den vergangenen Jahren hatte sie viel Druck ausgehalten. Immer wieder mussten lieb gewonnene Turnfreundinnen das Leistungszentrum verlassen, weil sie die Anforderungen nicht mehr erfüllt haben.
Bei so viel Talent kommt man unweigerlich zum Vergleich mit Sophie Scheder, die als 10jährige von Wolfsburg nach Chemnitz wechselte, um ihren Traum von Olympia zu verwirklichen.
Und tatsächlich würde Bundestrainerin Claudia Schunk Anna gerne nach Chemnitz oder Stuttgart holen. Hier wo die Bundesdeutsche Elite trainiert, wo Schule und Training perfekt aufeinander abgestimmt sind.
Auf die Frage, wie sie mit dem Vorschlag umgeht, berichtet die zurückhaltende Turnerin: „Ich fühle mich im Leistungszentrum Hannover wohl und komme mit den Trainern gut klar. Und mit der Schule klappt es auch gut, neben Sport ist Mathe mein Lieblingsfach.“ Und noch ein bisschen entscheidender ist wohl: „Ich möchte auf keinen Fall ins Internat.“
Seit diesem Jahr turnt die noch 11jährige im olympischen Kürprogramm nach Code de Pointage (CdP). Das ist das internationale Wertungsprogramm.
Zu ihren diesjährigen Erfolgen zählt ein dritter Platz beim Pre Olympic Youth Cup, einem international besetzten Turnier. Ihr Debüt bei den Deutschen Jugendmeisterschaften ging leider völlig schief, mehrere Stürze an ihrem Paradegerät dem Balken verhinderten eine bessere Platzierung als den 18. Rang. Mit ihrer zuletzt beim Landeswettkampf und Deutschland-Pokal gezeigten Balkenübung hat sie internationales Niveau erreicht. Am Sprung turnt sie aktuell einen Yurchenko über den 1,25m (!) hohen Sprungtisch.
Annas Ziele sind aber nicht etwa Olympia oder die WM, auch da ist die Schülerin bescheiden: „In der ersten Bundesliga würde ich gerne turnen.“ In der Regionalliga-Mannschaft der KTG Hannover ist sie schon fester Bestandteil. „Und am Stufenbarren möchte ich noch einiges dazulernen.“
Und zur Freude der Landestrainer sowie der Vordorfer Trainerin Kim Ellmerich kam nun noch eine besondere Ehre dazu: Anna Carolina Wolpers gehört im nächsten Jahr zum Bundeskader, als einzige niedersächsische Turnerin.
Bericht: Katrin Hoffmann